Stapferhaus logo

Fragen einer Pflanze

Nicolas Egger

Unser Zivi Nicolas versucht, seinen Basilikum zu verstehen.

Kürzlich habe ich mit einer Pflanze geredet. Sie ist ein Basilikum. Mein Basilikum.

Ich fragte Basilikum, welche gerade auf dem Küchentisch stand, wo sie gerne mal hinreisen würde:
«Auf den Fenstersims? Da hörst du die Vögel und siehst auf die Bäume am Rande des Waldes. Oder lieber auf den Esstisch mitten im Wohnzimmer? Dort würdest du mir gelegen kommen, wenn mein Abendessen noch das gewisse Etwas braucht. Und sonst kannst du auch in mein Schlafzimmer kommen, da kannst du oft Zeit mit meiner Katze verbringen.»

«Es gefällt mir, wo ich bin», sagte Basilikum, während sie sich langsam aufrichtete: «Und doch träume ich von einem Platz, bei dem ich zu jedem Zeitpunkt überall auf der ganzen Welt sein kann. Bei dem ich nicht mehr als Betrachter die Natur von nebenan anschaue, sondern mitten in ihr stehe. Ich will in den Rasen des Gartens, in die Erde des Waldes oder der Wiese da drüben. Nicht mehr alleine in diesem Topf, auch wenn es schön und bequem ist, ich will raus und mit der Natur zusammenleben. Da draussen kann ich mit Freunden von der anderen Seite der Welt kommunizieren. Da draussen ist alles miteinander vernetzt. Wieso wollt ihr Menschen das nicht auch? Wieder mit der Aussenwelt harmonieren und euch nicht als etwas Beistehendes oder sogar Darüberstehendes betrachten. Ihr seid doch auch Teil der Natur, nicht?»

«Natürlich sind wir Teil der Natur. Wir gehören zur Evolution und wachsen mit ihr mit.»

Sie überlegte einen Moment und meinte: «Die Natur macht sich grundlegend selbst. Und viele Menschen sind nun der Ansicht, sie seien nur zum Teil «Natur» oder eine neue Variante davon. Der Mensch weiss, dass er ein Tier ist und deswegen ist er keins mehr. Die Menschen können Erfahrungen mit der Natur und sich selbst machen. Trotzdem, Natur ist die Entstehung der Erde vom ersten Einzeller zum ersten Tier auf dem Land bis zum ersten Säugetier und aus diesem Grund ist auch der Mensch «Natur», eben alles, was sich selbst macht. Warum lebt ihr nicht mit der Natur zusammen, im Einklang mit ihr?»

«Das sind grosse Fragen, Basilikum», antwortete ich zögerlich, «dabei wollte ich dich doch nur fragen, wo du hinreisen willst.»

«Siehst du, das ist das Problem mit euch Menschen. Ihr seid in eurer Komfortzone, in eurem winzigen sterilen Schlafsack, gefangen und seid dadurch nicht mehr in der Lage, ein grösseres Bild zu sehen. Zu realisieren, dass du nicht weniger und nicht mehr Natur bist als ich, die Katze oder der Baum. Vielleicht teilt euch die Natur aber auch gerade mit, dass ihr nicht das Grösste und nicht nur Teil der Natur seid, sondern als Ganzes «Natur» selbst.»

«Ich verstehe dich nicht.»

«Das müsst und könnt ihr auch nicht. Ist das nicht genug?»

Ich packte meinen Basilikum beim Topf und stellte ihn vor die Haustür. Jetzt steht sie im Stapferhaus.

Durch dialogische Rundgänge und die freie Vermittlung im Stapferhaus kommt Nici mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch. Die Freude daran, täglich etwas Neues zu lernen und sich an Unbekanntem zu versuchen, motiviert ihn jeden Morgen dazu, auf das Fahrrad zu springen und seinen Zivildienst im Stapferhaus zu absolvieren.