Was, wenn die Natur eine Stimme hätte?

In der Ausstellung entfaltete sich ein anregendes Gespräch mit zwei Besucher:innen. Als ich sie fragte, was die Natur uns sagen würde, wenn sie könnte, antwortete eine der beiden nachdenklich: "Ich würde fragen, wie es der Natur geht, denn ich glaube, es geht ihr nicht gut mit uns.“
Dieser Gedanke begleitete mich weiter auf meinem Heimweg. Ich durchquerte einen belebten Stadtteil Zürichs, umgeben von einer Schar von Autos, Bussen und Trams. Mitten im dröhnenden Lärm stand ein mächtiger Baum vor mir. Er stand da, fest verwurzelt im Boden. Seine Wurzeln verschwanden unter dem schweren Betonboden. Ich blieb stehen und betrachtete ihn. Klar, es war Winter, der Baum war also nicht gerade in seiner vollen Blätterpracht, und obwohl das der Jahreszeit angemessen war, sah er absolut unglücklich aus. Ich fragte leise: "Baum, wie geht es dir eigentlich?“ Es fühlte sich eigenartig an, denn natürlich schwieg der Baum vor sich hin.
Ich überlegte mir, was wäre, wenn die Natur wie wir Menschen mit Sprache kommunizieren könnte. Was würde sie uns sagen? Was würde sie uns raten? Und was weiss sie, was wir noch nicht wissen?
Vielleicht hätte sie eine kräftige Stimme und würde lauthals erzählen, was sie von uns Menschen erwartet. Oder sie würde sich politisch betätigen und an der UN-Klimakonferenz ihre Position verteidigen. Denn schliesslich diskutieren nur Menschen, was sie eigentlich wirklich braucht. Oder vielleicht würde die Natur die Menschen für Gewaltdelikte oder Diebstahl verklagen. Wahrscheinlich würde sie uns auch über ihren Zustand informieren und uns klarmachen, dass es ihr viel zu heiss ist und dass sie es total anstrengend findet mit uns Menschen auf dieser Erde.
Wenn die Natur eine Stimme hätte, könnte sie uns endlich mal erzählen, was sie wirklich fühlt.
Während ich meinen Heimweg fortsetzte, wurde mir bewusst, dass ich der Natur bisher nie wirklich zugehört habe. Ich sollte mir öfters bewusst Zeit nehmen und die Natur aufmerksamer beobachten. So kann ich sie vielleicht besser zu verstehen und ihre Kommunikation deuten. Denn vielleicht sind Extremwetter-Ereignisse und andere Naturgewalten die Stimme der Natur, mit der sie versucht, sich Gehör zu verschaffen.
Valentina war im letzten Vermittlungsteam und führte dialogische Rundgänge im Stapferhaus. Sie stellt sich den kleinen und grossen Fragen der Natur, hinterfragt sie die Welt und ihren Zustand, sucht Lösungen, diskutiert und philosophiert innerhalb und ausserhalb der vier Wände des Stapferhauses.